St. Matthias

Mensch, wo bist du?

Das gemeinsame Haus – die Schöpfung Gottes Bewahren; Betrachtung zum Misereor Hungertuch 2019/2020 „Mensch, wo Bist du?“  von Uwe Appold

Liebe Leser und Leserinnen im Rahmen des „Kirchensommer – offene Kirche am Sonntag“ in der Kirche St. Valerius 2019 stellte ich in einem Vortrag überschrieben mit dem Thema „Das gemeinsame Haus – die Schöpfung Gottes bewahren“ verschiedene Stellen in der Bibel, die Enzyklika „LAUDATO SI“ über die Sorge für das gemeinsame Haus von Papst Franziskus und das Misereor Hungertuch 2019/2020 von Uwe Appold in Beziehung.

Gerne teile ich mit ihnen meine Gedanken und lenke zu Beginn dieses doch sehr aktuellen und komplexen Themas der Menschheit auf den biblischen Schöpfungsbericht, auf das, worauf wir uns als Christen immer wieder beziehen. Im Buch Genesis, Kapitel 1, wird mit den folgenden Worten von der Erschaffung der Welt erzählt:

1 Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. 2 Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. 3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.

4 Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis.

5 Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag…………

-24 Dann sprach Gott: Die Erde bringe Lebewesen aller Art hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Wildtieren der Erde nach ihrer Art. Und so geschah es.

25 Gott machte die Wildtiere der Erde nach ihrer Art, das Vieh nach seiner Art und alle Kriechtiere auf dem Erdboden nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war.

26 Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! Sie sollen walten über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen.

27 Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.

28 Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!

29 Dann sprach Gott: Siehe, ich gebe euch alles Gewächs, das Samen bildet auf der ganzen Erde, und alle Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.

30 Allen Tieren der Erde, allen Vögeln des Himmels und allem, was auf der Erde kriecht, das Lebensatem in sich hat, gebe ich alles grüne Gewächs zur Nahrung. Und so geschah es.

31 Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen: der sechste Tag.

Diese Erzählung ist kein Tatsachenbericht, sondern soll uns in Bildern verdeutlichen mit wieviel Liebe und Wertschätzung Gott uns diese Erde anvertraut hat und wir verpflichtet sind, dem gerecht zu werden.

Seit Monaten demonstrieren Schüler und Schülerinnen unter dem Motto „Fridays for Future“ zum Klimaschutz in vielen Städten und Ländern. Das bekannte Gesicht dieser Aktionen ist Klimaaktivistin Greta Thunberg aus Schweden und in Deutschland Luisa Neubauer. Aber auch bei uns in Trier demonstrieren seit mehreren Freitagen Schüler und Schülerinnen für Klimaschutz und die Anpassung des CO2-Ausstoßes bis hin zur CO2-Neutralität bis 2035. Es ist genauso erstaunlich wie erfreulich, dass sich diese jungen Menschen für den Erhalt unserer Erde so vehement einsetzen und die Erwachsenen in Politik und Gesellschaft aufrütteln und ganz gezielt in die Pflicht nehmen. Sie demonstrieren nicht nur für ihre eigene Zukunft, sondern auch schon für die ihrer Kinder.

Viel Unterstützung bekommen sie auch von kirchlicher Seite. Am 17. April 2019 haben sich Greta Thunberg und Papst Franziskus nach einer Generalaudienz auf dem Petersplatz getroffen. Sie haben sich gegenseitig gestärkt im Kampf für den Klimaschutz.

Die Enzyklika „LAUDATO SI“ aus dem Jahre 2015 von Papst Franziskus bezieht sich auch auf die Probleme und Entwicklung der uns anvertrauten Welt. Er nennt es „Die Sorge um das gemeinsame Haus.“

Er bezieht sich darin als erstes auf den Sonnengesang von Franziskus von Assisi. „Gelobt seist du, mein Herr“, sang der heilige Franziskus von Assisi. In diesem schönen Lobgesang erinnert er uns daran, dass unser gemeinsames Haus wie eine Schwester ist, mit der wir das Leben teilen, und wie eine schöne Mutter, die uns in ihre Arme schließt: „Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältig Früchte hervorbringt wie z.B. die Trauben und bunte Blumen und Kräuter.“

Weiter schreibt Papst Franziskus vom Aufschrei dieser Schwester wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat. Wir sind in dem Gedanken aufgewachsen, dass wir ihre Eigentümer und Herrscher seien, berechtigt, sie auszuplündern. Die Gewalt des von der Sünde verletzten menschlichen Herzens wird auch in den Krankheitssymptomen deutlich, die wir im Boden, in der Luft und in den Lebewesen bemerken. Darum befinden sich unter den am meisten und misshandelten Armen diese unsere unterdrückte und verwüstete Erde, die „seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Röm 8,22). Wir vergessen, dass wir selber Erde sind (vgl. Gen 2,7). Unser eigener Körper ist aus den Elementen des Planeten gebildet; seine Luft ist es, die uns den Atem gibt, und sein Wasser belebt und erquickt uns.

Auch seine Vorgänger haben immer wieder auf die bedrohte Situation der Erde und Wahrung der Schöpfung hingewiesen; z.B. schrieb der heilige Johannes Paul II. 1979 in seiner ersten Enzyklika: „Der Mensch scheint oft keine andere Bedeutung seiner natürlichen Umwelt wahrzunehmen, als allein jene, die den Zwecken eines unmittelbaren Gebrauchs und Verbrauchs dient“. Später rief er zu einer weltweiten ökologischen Umkehr auf. Die Zerstörung der menschlichen Umwelt ist etwas sehr Ernstes, denn Gott vertraute dem Menschen nicht nur die Welt an, sondern sein Leben selbst ist ein Geschenk, das vor verschiedenen Formen des Niedergangs geschützt werden muss. Alle Bestrebungen, die Welt zu hüten und zu verbessern, setzen vor allem voraus, „dass sich die Lebensweisen, die Modelle von Produkten und Konsum und die verfestigten Machtstrukturen von Grund auf ändern, die heute die Gesellschaften beherrschen.

Selbstverständlich wird die Sorge um das gemeinsame Haus und Gottes Schöpfung auch außerhalb der katholischen Kirche und christlichen Gemeinschaften – wie auch anderen Religionen – betrachtet und diese Themen, die uns alle beunruhigen, sorgenvoll reflektiert. Patriarch Bartholomäus hat besonders von der Notwendigkeit gesprochen, dass jeder Einzelne die eigene Weise, dem Planeten zu schaden, bereut, denn „insofern wir alle kleine ökologische Schäden verursachen“, sind wir aufgerufen, „unseren kleineren oder größeren Beitrag zur Verunstaltung und Zerstörung der Schöpfung“ anzuerkennen. Er prangert an, dass die Menschen die Unversehrtheit der Erde zerstören, indem sie den Klimawandel verursachen, die Erde von ihren natürlichen Wäldern entblößen oder ihre Feuchtgebiete zerstören. Weiter spricht er davon „dass die Menschen den Menschen Schaden zufügen und sie krankmachen, indem sie die Gewässer der Erde, ihren Boden und Ihre Luft mit giftigen Substanzen verschmutzen – all das sind Sünden.“ Denn „ein Verbrechen gegen die Natur zu begehen, ist eine Sünde gegen uns selbst und eine Sünde gegen Gott“. Er ruft uns Christen auf und ermahnt uns, „die Welt als ein Sakrament der Gemeinschaft anzunehmen, als ein Mittel, mit Gott und unserem Nächsten auf globaler Ebene zu teilen. Es ist unsere bescheidene Überzeugung, dass das Göttliche und das Menschliche einander begegnen in den kleinsten Details des nahtlosen Gewandes der Schöpfung Gottes, sogar im winzigsten Staubkorn unseres Planeten.

Im weiteren Verlauf der Enzyklika „Laudato Si“ ruft uns Papst Franziskus auf; die dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge ein, die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen, denn wir wissen, dass sich die Dinge ändern können. Der Schöpfer verlässt uns nicht, niemals macht er in seinem Plan der Liebe einen Rückzieher, noch reut es ihn, uns erschaffen zu haben. Wir Menschen besitzen noch die Fähigkeit zusammen zu arbeiten, um unser gemeinsames Haus aufzubauen, fährt Papst Franziskus fort und dankt allen, die in den verschiedenen Bereichen menschlichen Handels daran arbeiten, den Schutz des Hauses, das wir miteinander teilen und gewährleisten spricht er seine Anerkennung aus und ermutigt darin nicht nach zulassen. Auch hier spricht er schon von den Forderungen der Jugendlichen, die von uns Veränderungen fordern und sich fragen, wie es möglich ist, den Aufbau einer besseren Zukunft anzustreben, ohne an die Umweltkrise und an die Leiden der Ausgeschlossenen zu denken.

An dieser Stelle, wo ich erst die ersten 20 Seiten der Enzyklika beleuchtet habe, kann ich mir gut vorstellen mit welcher Inspiration Uwe Appold der das Misereor Hungertuch 2019/2020 mit dem Titel „Mensch, wo Bist du?“ erschaffen hat. Denn er sagt ganz offen, dass er als evangelischer Christ, was schon eine Überraschung an sich für ihn war bei der Auswahl und, Anfrage zum Gestalten und Schaffen des Hungertuches gelesen habe, was Papst Franziskus 2015 in seiner Enzyklika „Laudato Si´“ von der einen Welt als unserem „einen Haus“ sprach, sei bei ihm der Funke übergesprungen.  Das „eine Haus“ und die eine Welt sind Themen, die mich schon lange interessieren, die Bewahrung der Schöpfung und die Bewahrung der geistlichen und geistigen Häuser. Deshalb habe ich zugesagt und diese Arbeit begonnen, so Uwe Appold. Und hier ist die Verbindung zusehen zwischen der Enzyklika von Papst Franziskus und Uwe Appolds Misereor Hungertuch 2019/2020 in Ökumenischer Verbundenheit.

Für mich persönlich ist dieses Werk von Uwe Appold so ausdruckstark, dass wir es nicht nur zur Fastenzeit nutzen sollten, sondern es uns das ganze Jahr ins Bewusstsein rufen können zur Mahnung und Wahrung der Schöpfung um das gemeinsame Haus das uns anvertraut wurde aus Gottes Hand.     

Wenn wir uns das Hungertuch einmal genau betrachten besticht uns diese blaue Farbe. Dieses tiefe und leuchtende Blau steht für das lebensnotwendige Wasser und den unendlichen Himmel. In der christlichen Symbolsprache ist es die Farbe des Glaubens, der Zuverlässigkeit und der Treue sowie für Maria als Mittlerin und Himmelskönigin. Blau verbindet Himmel und Erde.

Als zweites besticht uns dieser große, leuchtende goldene Ring, der als Symbol des Himmels und der Unendlichkeit steht und in sich Anfang und Ende beinhaltet. Er symbolisiert hier Gottes unbedingte Zusage seiner Liebe, die allen Menschen und in besonderer Weise den Ausgegrenzten gilt. Gold ist der wertvollste Grundstoff und drückt Gottes Herrlichkeit aus.

Als drittes möchte ich das Haus benennen und die Erde worauf es gelagert ist und woraus es gebaut wurde. Dieses Haus soll unser „gemeinsames Haus“ darstellen und ruht im Zentrum, geborgen in Gottes Liebe. Es ist unfertig als Zeichen dafür, dass wir alle daran bauen und Lösungen für die derzeitigen Krisen finden müssen. Uwe Appold sagt dazu „Das gemeinsame Haus ist ein bisschen verrückt und meines auf dem Bild ist deshalb auch ver-rückt, weil es nicht ganz in der Mitte ist. Es hat ein Dach, das ist dicht, aber an der Seite eine Öffnung, durch die man hinein oder heraus kann. Es ist einladend und offen für alle, hier bin ich willkommen und verbindet das gemeinsame Haus mit Heimat. Dieses Haus ist aus Erde von Gethsemane gestaltet, welche er sich extra aus Jerusalem dem Garten Gethsemane zusenden lies und auch als Hintergrund und Grund für den Goldenen Ring und das gemeinsame Haus verwendet. Diese Erde aus dem Garten Gethsemane, in dem Jesus verhaftet wurde, trägt diese Vergangenheit in sich und lässt aber auch Neues wachsen. Diese Erde erinnert daran, dass unser Planet Heimat aller Geschöpfe ist und uns als Lebensraum anvertraut ist.

Hier finden wir nun den Zusammenhang zum ersten Buch in der Bibel, dem Buch Genesis, wo von der Erschaffung der Welt erzählt wird, was am Anfang meines Vortrages stand und dem Titel des Hungertuchs „MENSCH, WO BIST DU“. Diese Frage ist weiterhin aktuell und begann mit der Suche Gottes der ersten Menschen im Paradies „Wo bist du?“ (Gen.3,9). Nachdem sie vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, versteckten sie sich voller Scham im Garten und wurden zu orientierungslosen Menschen. Die ihren Platz in der Schöpfung verloren haben – weil sie glaubten, alles bestimmen zu können und selbst wie Gott werden zu können. Und die Suche Gottes nach den Menschen und ihrer Verantwortlichkeit ist geblieben: Wo stehst du? Wofür stehst du auf in einer Welt, die sich in rasantem Tempo verändert, in der sich Ungleichheiten verstärken, Gletscher schmelzen und Meere steigen? Fragen, die in den Kern der Verantwortung eines jeden Menschen zielen.      

Wo bist du, Mensch? Wo bist du in der Welt mit ihren vielfältigen Herausforderungen? Für den Künstler Uwe Appold, so schreibt Rita Gemperle, ist dies die Ausgangsfrage des Bildes. Er hat die Frage mit der Gestaltung des Bildes auf seine Art beantwortet und lädt uns ein, im Entdecken und Entschlüsseln seines Bildes unsere eigene Antwort zu finden.

Stefan Herschler (Kirchenteam St. Valerius)

Zum Schluss noch einige Zitate vom Künstler Uwe Appold:

• „Die Frage ist nicht: Wo ist Gott? Sondern: Wo ist der Mensch?

• „Die Botschaft des Bildes ist für mich die Sorge um das „gemeinsame Haus“.

• „ Ich bin mir sicher, dass sich aufgrund des Titels viele Menschen Fragen werden: Wo stehe ich denn in Verbindung zu dem, was die Enzyklika Laudato Si´ über das „eine Haus“ aussagt?

• „Ich erwarte nicht, dass die Betrachter alles nachvollziehen, was ich hineingelegt habe. Ich wünsche mir, dass die Menschen ihre eigenen Geschichten einbringen in das, was ich gemalt habe.“

• Mensch, wo bist du? Wo geht die Reise hin? Bist du noch auf der Suche nach gerechtem Leben? Mensch, wo bist du? Es ist Zeit, sich endlich ein paar Fragen zu Stellen und auf die Suche nach den Antworten zu machen…! Mensch, wo bist du?

• So beende ich meinen Vortrag zum Thema „Das gemeinsame Haus – die Schöpfung Gottes Bewahren“ und lade Sie ein über das gelesene selbst nach zu denken und zu überlegen: „Was kann ich dazu beitragen?“ zum Erhalt dieser einen Erde. Wie kann ich mich einbringen?  „MENSCH, WO BIST DU“.