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Erinnerungen zur Kirchweih d. Basilika St. Matthias
Die Brandkatastrophe in St. Matthias
Aufsatz über die Geschehnisse im Jahr 1783
Von Guido Josef Groß, (verstorb. im Januar 2010)
Am 8. September des Jahres 1783 war die Trierer Bürgerschaft zur jährlichen festlichen Prozession vom Dom nach St. Matthias aufgebrochen und am frühen Nachmittag in die Stadt zurückgekehrt. Noch in der Nacht, kurz nach 4 Uhr, wurde sie vom Zündel, der Brandglocke im Turm von St. Gangolf und vom Rasseln der Wagen der Feuerwehr über das Pflaster der Gassen jäh aufgeschreckt. Nach dem Süden der Stadt hin gewahrte man glutrot aufzuckenden Feuerschein am Himmel: die Kirche des Apostels Matthias, des Schutzpatrons der Diözese, stand in hellen Flammen (Abb.1 und 2).
Noch nach mehr als einem halben Jahrhundert ist im kurzen Bericht der Gesta Trevirorum der Nachhall dieser Schreckensnacht zu spüren. Es sei „am 9. September in der Frühe in der Kirche zu St. Matthias bei Trier eine fürchterliche Feuersbrust ausgebrochen. Die Thürme mit ihren Glocken und die benachbarte St. Maternuskirche gingen zu Grunde. Das Gewölbe der alten Haupt-Kirche und das Kloster blieben verschont“.
Die beiden Autoren lassen dabei auch einen von dem schrecklichen Ereignis besonders Betroffenen zu Wort kommen, Quintinus Werner, den Prior der Abtei. Seinem Protokoll zufolge ist das schreckliche Unglück vom Haus der Sakristei und Schatzkammer, wo auch der Laien-Küster seine Wohnung hatte, ausgegangen. Der Brand verbreitete sich von hier aus auf den Dachstuhl der Kirche und ergriff alle Türme der Kirche, die drei größeren und den kleinen über dem St. Matthias-Altar. In den Flammen und der großen Hitze in den Türmen zerschmolzen die Glocken, und zwar im größten vorderen Turm vier große Glocken und eine etwas kleinere. In einem der hinteren Türme, dicht an dem Sakristeibau, schmolzen vier Glocken, die erst am 13. Mai 1772 gegossen worden waren.
Zudem schmolz eine kleinere Glocke in dem Türmchen über dem St. Matthias-Altar. Auch die Uhr im Hauptturm wurde durch die Gewalt der Flammen vollkommen zerstört. Von der Sakristei aus griff der Brand zunächst auf die St. Katharinen-Kapelle über, von da aus auf die kleine St. Maternus-Kirche. Während die Flammen tobten, konnte man den kostbar gearbeiteten St. Matthias-Altar bergen und in das Abteigebäude in Sicherheit bringen. Dasselbe gelang mit dem als Tabernakel gestalteten silbernen Altar. Das Grab des Heiligen Matthias konnte ebenfalls gerettet werden; die Reliquien anderer Heiliger, die Kirchenschätze und das Kloster-Archiv fanden in der Abtei St. Maximin Asyl. „Erst etwas um die vierte Stunde in der Frühe oder noch etwas später war der Brand von uns bemerkt worden; dann aber verbreitete er sich so rasend schnell und stark, dass keiner von uns in der Lage war, die Flammen einzudämmen oder zu löschen.
Selbst die Trierer Bürger, welche mit ihren Feuerlöscheinrichtungen herbeigeeilt waren, konnten nichts weiter ausrichten, als das Kloster und andere anstoßende Gebäude vor den Flammen zu bewahren, was ihnen auch Gottlob gelungen ist“. Bei derart katastrophalen Schadenfeuern erhebt sich die naheliegende Frage nach der Ursache des Ereignisses. War es ein kaum vermeidliches Naturereignis wie Blitzschlag oder eher ein mehr oder weniger schuldhaftes menschliches Versagen?
Letzteres traf offensichtlich zu bei dem großen Brand des Trierer Doms im Jahre 1717, als bei Anbruch der Nacht vom 17. auf den 18. August das Dachwerk „bies auff das Gewölb“ sowie das der beiden östlichen Türme vernichtet wurde. Damals verursachte eine verirrte Rakete eines Feuerwerks, das von Bediensteten der Domherren zu einem festlichen Anlass auf dem Domfreihof abgebrannt wurde, die Feuersbrunst. Sie führte schließlich zur Neugestaltung des Doms durch den Baumeister Johann Georg Judas unter der Regentschaft des Kurfürsten Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1716-1729).
Auch der Brand von St. Matthias entstand durch eine überaus grobe Fahrlässigkeit, und zwar der Wächter, welche die auf dem Hochaltar befindlichen Kirchenschätze verwahren und sichern sollten. Wie an besonderen Festtagen üblich, waren auch am Mariä-Geburtsfest „die kostbaren in massivem Silber mit Goldarbeiten und Edelsteinen reich verzierten Reliquienkasten, die kostbare Monstranz, eine Menge Leuchter und sonstige Gefäße von gleich edlem Metalle, welches alles in einer eignen Schatzkammer des Klosters wohl verwahrt wurde“, ausgestellt. Diese verehrungswürdigen Gegenstände habe man, so heißt es in einem ausführlichen Bericht weiter, dem Blick der frommen Menschen, welche auch nach dem Ende der feierlichen Prozession die Kirche aufsuchten, nicht vor der Zeit entziehen wollen. Es sei alter Brauch gewesen, dass die Kirchenschätze während der Nacht durch vertraute Klosterdiener unter Aufsicht eines weltlichen Küsters bewacht wurden. Das scheint nicht immer mit dem nötigen Ernst und mit der gebotenen Sorgfalt geschehen zu sein.
Das jährliche Kirchenfest war in der ganzen Abtei auch ein willkommener Anlass zum Feiern. Folgen wir weiter, was unser Bericht erzählt: „Nach beendigter feierlicher Procession und solemnen Gottesdienste pflegten an diesem Tage viele der angesehensten Herren aus dem geistlichen und weltlichen Stande als willkommene Gäste an der gut besetzten Prälatentafel bewirthet zu werden; es war duplex primea classis nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Küche und vorzüglich im Keller“.
Die herkömmliche Bewachung der Preziosen in der Kirche sollte bis gegen drei Uhr in der Nacht dauern, bis die Mönche sich zur Matutin, dem Stundengebet im Chor, versammelten. Doch da hatte das Unglück längst seinen Lauf genommen. „Die Wächter“, so lesen wir weiter, „welche an diesem festlichen Tag mit Essen und Trinken auch nicht zurück geblieben waren, hatten sich etwas zu viel mit dem edlen Moseler überladen. Nach ihrer Ablösung begaben sie sich auf die so genannte Küsterei, ein Gebäude, welches zwischen der St. Maternus- und dem Hauptschiffe der St. Matthiaskirche sich befand und aus diesem einen noch zu sehenden Eingang hatte, um allda der Ruhe zu pflegen, wo sie ohne Zweifel berauscht, in tiefen Schaf verfielen und durch das Brennenlassen des Lichtes die an diesem Orte angehäuft gewesenen Holzspäne, aller Wahrscheinlichkeit nach, anzündeten. Indem auch hier ein großer Vorrath von Wachs aufbewahrt wurde, so verbreitete sich das dadurch genährte Feuer sehr leicht mit solcher Schnelligkeit, dass ungeachtet aller herbeigeeilten Hülfe die Küsterei, die St. Maternus und die St. Matthiaskirche sammt den drei Thürmen bald in voller Flamme standen. Dieses gewaltige und sehr sich ausbreitende Feuer war in kurzer Zeit auf solchen Umfang und auf solche Höhe gekommen, daß alles Löschen vergebene Mühe und Arbeit wurde. Rund um diesen Brand entstand eine solche Glut, dass in den Vorhof der Kirche Niemand sich mehr hin wagen konnte“. In der Hitze des Brandes der bis in den dritten Tag angedauert habe, seien sämtliche neun Glocken der Kirche geschmolzen, „das herrlichste Glockengebäude des Landes“.
Mit einer nahezu grotesken Begleiterscheinung des Schadens für die Abtei soll unserem Gewährsmann weiterhin das Wort gegeben werden, denn er fährt fort: „Die Menge Menschen, welche bei diesem Brande aus allen Winkeln der Stadt, den Vorstädten und der Umgegend sich eingefunden hatte, war sehr groß. Da nun an’s Löschen nicht mehr zu denken war, so dachte man an den guten Wein, mit welchem die Klosterkeller reichlich versehen waren. Obschon man freiwillig aus diesen zum Trinken bereits viel gereicht hatte, so drängte sich doch haufenweis eine Menge Menschen mit Gewalt in die Keller, zapfte eigenmächtig die stolzen Lagerfässer an und richtete, bald berauscht, bei dieser Unordnung mehr zum Grund, als sie genießen konnte; man ging zuletzt in den kellern bis an die Fußknöchel im Wein und Schlamm.
Schon in demselben Jahre ließ sich die sehr reiche Abtei Anstalten zum Wiederherstellen der Kirche und der Thürme machen; der vortreffliche Herbst von 1783 ersetzte zum Teil den erlittenen Schaden“.
Der ausführliche Bericht über den Brand von 1783 ist erst nach 51 Jahren im 1. Band der Zeitschrift „Treviris“ erschienen. So liegt die Frage nach seiner Authentizität nahe, inwieweit man dem Inhalt Vertrauen schenken kann. Für Seriosität bürgt der Name des Schriftleiters Philipp Laven, Gymnasiallehrer in Trier, Gehilfe seines Direktors und Stadtbibliothekars Johann Hugo Wyttenbach, dem er 1849 als Stadtbibliothekar nachfolgte. Zudem ist der Autor des Artikels, der Trierer Arzt Dr. Johann Mathias Neurohr, als bestens informiert anzusehen, denn seine Gewährsmänner waren sein geistlicher Onkel Johann Baptist Neurohr, als Pater Gregor Benediktiner der Abtei St. Matthias, also ein Augenzeuge am Ort des Geschehens, sowie sein Vater Johann Anton Neurohr, als Baumeister mit der Wiederherstellung und Neugestaltung der Kirche betraut.
Auszug aus dem „Neuem Trierischen Jahrbuch 2001“ mit freundlicher Genehmigung des Verein Trierisch e.V..
Fotos: Darstellung der Feuersbrunst in St. Matthias in Trier (in der Frühe des 9. September 1783), topografisch ungenau erfasst. Zwei Gemälde (Pendants) eines unbekannten Malers, um 1850, Öl/Lwd, auf Holz aufgezogen, 23,5 x 33 und 24 x 33 cm jeweils unten rechts undeutlich signiert, Städtisches Museum Simeonstift Trier, Inv. Nr III 1422 und III 1423
Thomas Lehnart